Von Jan Hoet

Kunst=Kapital lautete eine bekannte Devise von Joseph Beuys. Diese Gleichung umschreibt eine Metapher. Doch eine Metapher wofür? Enthält Kunst nicht immer schon eigene Formen des Paradoxen, der Erweiterung ihrer Automomie, die Ausdruck von (meinen eigenen) Irritationen geworden ist?

Sein Leben lang demonstrierte Beuys, wie er nicht nur bildlich das geistige Kapital von Mythos und Gegenwart akkumulierte, sondern wie er auch seinen eigenen Ort in der Kunst seiner Zeit realisierte. Man könnte sein Oeuvre als Versuch bestimmen, die Grenzen der Kunst, die Räume innerhalb – und außerhalb – des Kunstbereichs permanent neu zu bestimmen. Angefangen von den späten vierziger und fünfziger Jahren, in denen Beuys vorwiegend zeichnend-reflektierend urmythischen Bildräumen Gestalt verlieh und damit die Grenzen äußerer Darstellbarkeit erkundete, über die Aktionen, in denen er die zeitgenössische Avantgarde der sechziger Jahre auf einzigartige Weise mit der Artikulation seiner Selbst verband bis hin zu den großen raumgreifenden Installationen – die Öffnung und das Offenhalten von Ideen, die neuartige Selbst-Verkörperung in „armen“ Materialien, aber auch die Achtung vor der Aura des geschaffenen Werkes markieren etwas, was mich bei Beuys bis heute fasziniert.

Das 7000 Eichen-Projekt von Joseph Beuys hat mich sofort und unmittelbar überzeugt: Ein Werk verknüpfte, wie viele andere Arbeiten von Beuys, eine kollektive Geste des Künstlers mit dem Appell an die Individualität der einzelnen Betrachter – sei es diejenigen, die in Kassel selbst durch Kauf von Eiche und Stein die Idee des Projekts „finanzierten“, sei es die ungezählten anderen, die auf geistiger Ebene von der historischen Aktualität dieser auf lange Zeit hin projektierten Arbeit überzeugt sind.
Bereits die anfängliche Keilform der 7000 aufgehäuften Basaltstelen war bezeichnend. Die Keilform verkörperte ein bestimmte Dynamik, die gewissermaßen in eine unbestimmte Zukunft verlängert wurde: Die energetischen Kräfte der Natur wurden in das Vorstellungsvermögen der Betrachter übertragen. Der Keil war so eine Metapher für die Zeit aber auch die Energie, mit der Menschen seit ihren Anfängen in den Lauf der Natur (auch gewaltsam) eingreifen.

Beuys war – vielleicht wie kein anderer deutscher Künstler – in der Lage, den Raum, die Erde und ihre Reichtümer, die Kunst und die Geschichte in ein neues Verhältnis zu setzen. Die Strategie der „Verbrannten Erde“ an der der einstige Wehrmachtspilot ja teilzunehmen gezwungen war, ist vielleicht eine (unbewusste) Ursache für die Heilungsideen von Beuys. Immer wieder unterbreitete Beuys, besonders in den späten, unvollendeten und „ökologisch“ inspirierten Arbeiten, Angebote an die Betrachter, die Erde als Raum des erweiterten Kunstbegriffs zu verstehen, die Substanzen des Kunstbegriffs neu zu entwickeln.

Für alle Arbeiten von Beuys gilt, dass der Künstler eine besondere intuitive Fähigkeit besaß: Er war in jedem Moment in der Lage, das nach innen zu verlängern, was er äußerlich beobachtete, und umgekehrt konnte er im Außen wahrnehmen, was ihn dazu bewog, die Kunst in ihrer Substanz, von innen heraus neu zu befragen. Der organische Impetus der 7000 Eichen hat sich bis heute und gerade heute als höchst überlebensfähig erwiesen.

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