Von Dr. Rhea Thönges-Stringaris

Joseph Beuys: 7000 Eichen – Eine unsichtbare Skulptur

Es gibt wohl kaum jemanden in Kassel, der nicht fast täglich, ob in Alleen-Reihen oder auf Plätzen, Beuys-Bäumen begegnet: Ein Baum, ein Stein. Wir haben uns an sie gewöhnt. Sie sind Teil unseres Alltags und zugleich Bestandteile einer ungewöhnlichen, weil letztlich unsichtbaren Skulptur. Niemand kann sie je als Ganzes sehen. Bekanntlich ist ‘Skulptur’ im herkömmlichen Sinne ohne ihre Umrisse nicht denkbar. Doch Umrisse werden bei 7000 Eichen nicht mal auf dem Papier, auf dem Stadtplan, greifbar.
Also ist es nahliegend, nach den Kriterien zu fragen, die die Pflanzung von 7000 Bäumen, denen je eine Basaltstele dazugesellt wurde, zum Kunstwerk, bzw. zur Skulptur legitimieren.

Dass das Projekt als Beitrag von Joseph Beuys 1982 im Rahmen der documenta 7 vorgestellt wurde, schien gleich zu Beginn weder Fachpresse noch Öffentlichkeit besonders zu überzeugen. Es hat sich aber seitdem gezeigt, dass man sich dieser Werkfrage erst nach und nach nähern kann. Zunächst eine Zwischenbemerkung zur Verdeutlichung und Differenzierung der Thematik: Wir sind, als wäre es selbstverständlich, damit vertraut, dass zur urbanen Kultur der menschliche Eingriff in das natürliche Umfeld gehört. Planungen und Entwürfe als ‘Gartenarchitektur’ oder ‘Parklandschaft’, als durchdachte Architektur, sind seit der Renaissancegesellschaft, vor allem aber seit dem 18. Jahrhundert, mit dem Begriff der Bürger-Stadt untrennbar verbunden. Einerlei, ob mit Zirkel und Lineal abstrakt konstruiert (Französiche Barock-Anlage) oder der Natur abgelauscht (Englische Parklandschaft): Klar ist, dass hier stets ästhetische Grundprinzipien angewandt werden, durch die natürliche Abläufe dem menschlichen Gestaltungswillen unterworfen werden. Wir können sehen, dass Joseph Beuys mit seinem 7000 Eichen-Werk diese Traditionen verläßt. Bereits 1979, in einer Äußerung während eines Gesprächs, kündigt sich dies deutlich an: „Merkmal großer Kunst“, so Beuys dort, sei „dass die sich überhaupt nicht aufdrängt, sondern vollkommen eingeht, fast verschwindet in der Natur“. Wenige Jahre später nahm dieser Grundsatz Gestalt an in der Skulptur 7000 Eichen. Doch die Tradition wird überraschend auch mit einem neuen Begriff durchkreuzt: Vollständig nämlich lautet der Titel des Werkes: 7000 Eichen/Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung. Listig in gewissem Sinne also formauflösend stellte Beuys hier die Anarchie (des Waldes) einer Ordnungsmacht (der Verwaltung) gegenüber. Damit stehen wir klar vor einer Polarität, wobei man zugleich hinzufügen muss, dass das Polaritätsdenken als Methode das ganze Werk von Beuys durchzieht. Zwischen die Pole jedoch gehört bei Beuys stets ein drittes Element, dessen Fehlen seiner Auffassung nach immer eine gelungene Skulptur verhindern würde; schon im Entstehen würde sie an der reinen Gegensätzlichkeit zugrundegehen. Das erforderliche dritte, versöhnende Element wäre in diesem Fall mit dem Begriff der Sozietät, bzw. der sozialen Kooperation gegeben. Deshalb könnte die These also lauten: "7000 Eichen/Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung" ist eine mehrdimensionale Soziale Raum-Zeit-Skulptur, in der sich einige Elemente der Sichtbarkeit entziehen.

Die Kooperateure sind leicht zu benennnen: Von dem Ideengeber Joseph Beuys ausgehend, waren von Anfang an gleichberechtigt miteinbezogen: die Institution der documenta GmbH, die Bürger Kassels, ihre Organe (Magistrat und Verwaltung), schließlich das selbstverwaltete FlU-Koordinationsbüro 7000 Eichen.

Während der 5-jährigen Dauer des Werkprozesses konnte unmittelbar nachvollzogen werden, dass Kommunikation und Kooperation die unverzichtbaren, wenn auch der direkten Visualität entzogenen, Bestandteile einer skulpturalen Figur – eines plastischen Geschehens anderer als der gewohnten Art – waren.
Konkreter wird dies, wendet man sich der Entstehung, bzw. der Vorgeschichte des Werkes zu: Joseph Beuys war documenta-Künstler seit 1964. Die Folge seiner documenta-Beiträge verstand er als Stufen, in denen das Problem der Kunst selbst zu Tage treten kann. Zwanzig Jahre lang wußte sich Beuys innerhalb des documenta-Betriebes als Außenseiter – und hielt in Wirklichkeit dennoch das Zentrum des öffentlichen Interesses durchweg besetzt. Mit seinen Arbeiten durchkreuzte er permanent die Erwartungen an die Kunst, selbst an die der Avantgarde. Beuys konnte sich damit nicht abfinden, eine Kunst zu vertreten, die allein eine Minderheit anging. Und obwohl er dennoch wichtige ästhetische Neuerungen leistete, suchte er beharrlich nach Wegen, um die regenerativen Kräfte der Kunst in außerkünstlerischen Feldern, im Gesellschaftsraum generell, wirksam werden zu lassen. Der Erweiterte Kunstbegriff war für ihn die Formel, die er auf den Menschen als das par excellence schöpferische Wesen richtete, dessen Kräftepotenzial er zugleich zu ermutigen suchte. In der Folge seiner Beiträge zur documenta 3 (1964), documenta 4 (1968), documenta 5 (1972) und documenta 6 (1977) kann beobachtet werden, wie Beuys mit seinen Arbeiten sich mehr und mehr außerhalb des Museums – eigentlich auch außerhalb des Kunstbetriebes und vor allem des geläufigen Kunstbegriffs – bewegte. Gerade deshalb hat er vermutlich aber auch Menschen interessiert, die sich ansonsten am Kunstbereich kaum beteiligten.

Das erste Gespräch mit der Stadt Kassel fand im Herbst 1981 ohne Joseph Beuys statt. Zum Projekt einer weiträumigen Großpflanzung von 7000 Bäumen in Kassel anlässlich der documenta 7, erklärten jedoch die Vertreter der Stadt – darunter der Stadtkämmerer und der Leiter des Gartenamtes – kategorisch: „60 Bäume! Mehr sind nicht drin. Wären mehr Bäume in der Stadt unterzubringen, dann hätten wir sie schon selbst gepflanzt.“ Man konnte sich wenig später darüber wundern, wie schnell es Beuys durch seinen persönlichen Einsatz schließlich gelang, verantwortliche Politiker von der Wichtigkeit seines Vorhabens zu überzeugen, womit vor allem auch die Kooperation mit der Verwaltung gesichert war. Wie nebenbei dokumentiert diese Begebenheit Beuys' spezifische Vorgehensweise im menschlichen Miteinander, zeigt auch, dass ein Künstler einen besonderen Realitätssinn hat und das, was andere für unmöglich halten, er willens und in der Lage ist zu ermöglichen. Da entpuppt sich der Träumer als der bessere Realist. Dennoch zeigten sich die ersten Hindernisse, noch bevor der erste Baum in die Erde kam – und es waren nicht einmal die schwersten, die Beuys zu überwinden hatte. Zu dieser Zeit wusste noch niemand von dem Projekt; allein in der Kunstszene ging das Gerücht um, Beuys wolle für die documenta 7 eine monumentale Skulptur in der Stadt installieren. Als dann in den Medien zur Verblüffung Vieler öffentlich wurde, wie diese Monumentalität gemeint war, mußte Beuys feststellen, dass nicht einmal die Startfinanzierung gesichert war. In diesen für ihn schwersten Wochen gab Beuys dennoch nicht auf, sondern erklärte, er habe keine Alternative zu dieser Aktion: „Notfalls komme ich als Baum!“ sagte er zum documenta-Leiter Rudi Fuchs. Eine monumentale Skulptur - wenn auch in einem ganz neuen Kontext - ist "7000 Eichen" in der Tat geworden. Eine, die zur ihrer Entstehung einerseits fünf Jahre brauchte – von der documenta 7 bis zur documenta 8 – und andererseits räumlich sich sowohl horizontal in die ganze Stadt ausbreitete, wie vertikal nach oben wuchs. Dieser raumzeitliche Aspekt drängt sich im Werk mehrfach auf. Ein Werk in der Zeit, das sich in Teilstrecken vollzieht. Beuys selbst erlebte den Abschluss seiner Aktion nicht: Er starb am 23. Januar 1986 – 17 Monate vor der Pflanzung der letzten Eiche, im Juni 1987. Außer Eichen wurden, je nach Standort, auch Eschen, Platanen, Linden, Robinien, Kastanien u.a. gepflanzt. Beuys suchte übrigens bewusst auch problematische Standorte aus.

Die Wahl der Eiche im Werktitel – nicht nur weil sie zahlenmässig dominierte – hebt vor allem den Zeitaspekt hervor: Die Eiche führt bekanntlich weit in die mythisch-kultische Vergangenheit zurück – und zwar keineswegs nur bei den Germanen, sondern schon bei den Griechen und Kelten. Für Beuys war es wichtig, dass dieser Baum über 800 Jahre alt werden kann. Ebenso ist aber die zeitliche Dimension auch durch die Basaltstele hervorgehoben, denn Basalt ist durch Jahrmillionen erstarrtes Lavagestein.
In einer weiteren Zeit-Etappe befinden wir uns gegenwärtig. Dabei geht es nicht nur darum, mit allen Beteiligten Achtung, Bestand und angemessenes Weiterwachsen des Werkes zu sichern, sondern auch um dessen Berücksichtigung unter Einbeziehung des Ideenzusammenhanges. Denn zunächst geht es um die Frage: Wieso kommt Beuys dazu, die Pflanzung von 7000 Bäumen im Stadtraum zur Skulptur zu erklären? Da sie einen wichtigen Aspekt im Gesamtwerk von Beuys berührt, soll diese Frage näher betrachtet werden.
An Skulpturen der Avantgarde angelehnt schien – zumindest auf den ersten Blick – der ursprüngliche Basaltkeil: Eine Anhäufung von 7000 Basaltsteinen in der Form eines räumlichen Dreiecks. Beuys ließ sie kurz vor und nach der Pflanzung der ersten Eiche – zur Empörung der meisten Bürger – auf Kassels ‘guter Stube’, auf dem Friedrichsplatz, direkt vor dem documenta-Gebäude aufschichten.
Denkt man den Basaltkeil als Skulptur, dann hat man gleichzeitig auch ein ganz anderes Bild vor Augen, nämlich ihre Verwendung als Lager: Hier war das Steindepot, von dem aus jedesmal zur Pflanzzeit die Basaltstelen zu ihrer eigentlichen Bestimmung abgeholt wurden – so dass jede jeweils zu ‘ihrem’ Baum kam. Schon diese Doppelfunktion des Basaltkeils, der auch als Pfeil gesehen werden kann, deutet auf den Übergang der Kunst in das praktische Leben. Er interveniert direkt in der Realität und macht offensichtlich, was Beuys mit diesem Werk intendierte. Man kann die Keilform häufig sowohl im zeichnerischen und im plastischen Werk, wie auch in den Installationen von Beuys finden: z.B. bei „Zwei Energie-Skulpturen“ (Bleistift, Öl, Fett / 1966), im „Stuhl mit Fett“ (1964) und im „dernier espace avec introspecteur“ (1964-1982). In dieser Raumskulptur, deren Installation in Paris zeitlich mit dem Beginn der Baum-Aktion zusammenfiel, ging es Beuys vor allem um den Zusammenhang von Geometrie, Energie und Raumzeitkontinuum; darüber hinaus um das, was Beuys mit dem Begriff der ‘Wärmequalität’ und dessen Bezug zur menschlichen Innenwelt verband. Vergleichbar mit der Linienführung des Basaltkeils ist hier vor allem die raumausgreifende Geste, die die Filzbahnen beschreiben. Ihren Titel, „dernier espace/ Letzter Raum“, verdankt die Installation vor allem dem Umstand, dass Beuys zu dieser Zeit aus den geschlossenen Kunsträumen ‘mehr und mehr hinausgehen’ wollte. Diesem Zusammenhang entstammt auch das bekannte Multiple „Hiermit trete ich aus der Kunst aus“ (1982). Der Basaltkeil war nur aus der Vogelperspektive als solcher erkennbar. Von unten erlebte man ihn eher als amorphen Steinhaufen. Man hatte bei ihm also eine wechselnde Wahrnehmung, eine Irritation von dieser Skulptur, deren Spitze quasi auf die Urzelle des Werkes stieß: auf den ersten Baum mit seiner Basaltstele.

Baum und Stein bilden eine Lebensgemeinschaft, führen eine Art Dialog miteinander. Beuys war es wichtig, dass „jedes einzelne Monument aus einem Teil besteht, der sich in der Zeit verändert und einem Teil, der kristallin ist, also seine Form, Masse, Größe, Gewicht beibehält“. Steine veränderen sich nur durch Wegnehmen, nicht aber durch Wachsen. Ebenso wichtig war Beuys die sich dadurch ergebende Proportionsverschiebung: Ist zunächst der Stein für den jungen Baum eine Art Wächter, so verändert sich mit der Zeit das Verhältnis: der Stein wird immer mehr zum Beiwerk. Dass Beuys mit dieser Doppelfiguration, Baum und Stein als Denkmal, auch an die Tradition des Heroen- und Totenkultus anknüpft, ist oft bemerkt worden – und auch als Thema in der Kunst bekannt: so z.B. bei C.D. Friedrichs „Hünengrab am Meer“ (1806/07). Zuweilen sah Beuys den Stein auch als Opferstein, bzw. als Altar – man denke hier an die BaumGötter-Kulte der Antike, z.B. an Zeus, Hera und Apoll: Für Beuys Denkbilder, die Zeitdimension zum Integral im plastischen Prozess machten. Mit seinen Worten: „...dass das Vergangene und das Zukünftige in einem Bilde erscheinen“.
Bei 7000 Eichen allerdings hatte der zukünftige Aspekt Vorrang – was sich gewissermaßen schon darin zeigt, dass zum erstenmal, und von der Tradition abweichend, nicht der große, alte, ausgewachsene Baum zum Denkmal erklärt wird, sondern bereits der junge, gerade gepflanzte Baum, von dem noch ungewiss ist, ob er je sein Alter erlangt. Beuys ist es gelungen, deutlich zu machen, dass es bei dieser Aktion, die ohne jede Sentimentalität auskam, weder um Naturästhetisierung noch um Naturschwärmerei und auch nicht um eine bloß ‘gärtnerische Angelegenheit’ ging: Nicht um eine neue Kunst, sondern um ein neues Denken in der Kunst ging es ihm. In 7000 Eichen sollte man die Initialzündung für weitergehende Bepflanzungen der Erde durch die Menschen sehen: den „symbolischen Anfang“, der auf die „Umgestaltung des gesamten Lebens, der gesamten Gesellschaft, des gesamten ökologischen Raumes“ hinweise, und dazu beitrage „die Notwendigkeit neuer Wirtschaftsbegriffe in den Mittelpunkt des Denkens zu bekommen“.
So weitgespannt und mehr als es seine Vorgänger (Beuys' documenta-Beiträge 1964/68/72 und 77) vermochten, setzt "7000 Eichen" auf der Grundlage der „Plastischen Theorie“ und des "Erweiterten Kunstbegriffs" ein lebendiges Exempel: Denn nicht nur symbolisch, sondern real entstand hier Bewegung, wenn der Basaltkeil jedesmal in den Pflanzzeiten langsam abgebaut wurde, sich sozusagen als ‘Kollektiv’ auflöste, deutlich in sich zusammenschmolz, während gleichzeitig immer mehr Bäume mit ihren ‘individuellen’ Basaltstelen überall in den Stadtteilen auftauchten, Alleen bildeten, auf Plätzen, Schulhöfen, Krankenhäusern und sonstigen öffentlichen Einrichtungen allgegenwärtig wurden und sichtbar das Stadtbild veränderten. Dabei entstanden weitere Proportionsverschiebungen: Je größer das Ausbreiten der Bäume im Stadtraum, desto kleiner das Basaltvolumen auf dem Friedrichsplatz. Es ist also eine Art Zusammenziehung und Ausdehnung, die stattfand: Beides, genau so wie auch Masse, Volumen, Proportion, schon längst klassische Kategorien von Skulptur und Plastik. Beuys dehnte deren Begriff und bezog ihn ebenso auf das menschliche Denken und Handeln, vor allem aber auf Kommunikation und Interaktion. Soziale Skulptur in diesem Sinne wurde zur wesentlichen Voraussetzung am Zustandekommen des Werkes: Erlebbar, wie bereits erwähnt, schon von Anfang an, an der Initiative und Beteiligung der Bürger in Zusammenarbeit mit dem FIU-Koordinationsbüro und der Stadtverwaltung. Denn einer der wichtigsten Erfolge von 7000 Eichen ist, dass es gelang, aus (Kunst-)Betrachtern Mitwirkende zu machen. Und sah man anfänglich den Basaltkeil als noch dem Kunstbegriff der Moderne zugehörig, so ging dieser am Ende doch fast vollständig über in das Alltagsleben. Es ist also ständige Bewegung und Verwandlung am Werke – beides sicher auch sonst von zentraler Bedeutung für Beuys: Nicht zufällig verstand er 7000 Eichen als „Metamorphose des Verstehens von Kunst“. Wobei erneut an den eingangs erwähnten Ausspruch zu erinnern ist, nach dem die Qualität eines Kunstwerks sich vor allem darin zeigt, dass sich dies nicht aufdrängt, sondern „eingeht, fast verschwindet“ in sein Umfeld. Nicht zu übersehen, dass Beuys hier nicht von einem völligen Verschwinden, sondern von einem „fast” spricht. Zwei Jahrzehnte nach Beginn der Pflanzaktion ist es vielleicht dieser ‘Rest’, der allen Beteiligten – den Bürgern, der Stadt, dem Nachlass – den Umgang mit diesem Kunstwerk so schwer macht: Wie sichert man dessen Bestand? Was ist dessen angemessene Pflege? Wer passt auf? Ist hier Denkmalschutz angebracht? Beuys sprach oft vom ‘Geschenk’, das er der Stadt machte und das mit einer Urkunde besiegelt wurde. Doch ein ausgefeilter juristischer Vertrag existiert nicht. Wer also ist rechtmäßiger Eigentümer von 7000 Eichen, wer für sie verantwortlich? Die Stadt? Der Nachlass? Die documenta GmbH? Der Stadt sind zweifellos Sünden im Umgang mit diesem Beuys-Werk anzurechnen. Und sicher nicht nur, weil während 1987 zu seiner Pflege noch 200.000 DM bereitgestellt wurden, der Betrag seit Jahren auf 50.000 DM geschrumpft ist; oder etwa, weil Beuys-Allee-Bäume durch Verkauf in Privatgrundstücken verschwanden, andere entfernt oder umgepflanzt wurden ... Seit kurzem erkannte der 1994 gegründete Förderverein 7000 Eichen e.V. jedoch, dass man mit Schuldzuweisungen gerade diesem Kunstwerk nicht gerecht werden kann. So machte man mit Mitgliedern des Magistrats, Repräsentanten aus Kultur, Wirtschaft und Kirche den Versuch eines neuen Anfanges an einem ‘Runden Tisch’ die Weiterentwicklung der sozialen Skulptur. Es entstanden „7 Thesen zu 7000 Eichen“, die im Herbst 1999 von der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel einstimmig verabschiedet wurden. Auch der Umsetzungsprozess der 7 Thesen, der noch andauert, macht verständlich, warum Beuys schon bei der Vorstellung des Projekts von einem ‘Experiment’ sprach – was er im Übrigen in bezug auf seine Arbeit oft tat. Dies Experiment allerdings ist offen, d.h., dessen Ausgang hängt längst nicht mehr von Joseph Beuys allein ab: Es wirkt eher wie eine Art ‘Wärmezeitmaschine’ – wie Beuys die 7000 Eichen-Aktion auch einmal nannte.

Beuys schuf mit 7000 Eichen eine Kunst ohne Sonder-Status; damit gab er das Signal zur ersten Sozialen Plastik der Kunstgeschichte. Sie steht am Ende einer lebenslangen Auseinandersetzung mit der Kunst als zeitgenössischem Problem. Man sagt, Beuys habe den Kunstbegriff revolutioniert: Er selbst zog es vor zu bemerken, sein Beitrag bestehe darin, dass er bloß entdeckt habe, die Kunst habe am Ende des 20. Jahrhunderts (so auch der Titel einer weiteren Arbeit aus Basaltblöcken, 1983) ihr Gesicht radikal verändert. Es sei abgeschlossen worden das Konzept der Moderne, dafür aber etwas Neues eingetreten. Beuys nannte es die „Neue Muse der Kunst“: Anders als die alten, habe sie jeden Menschen zu inspirieren: Im Kontext der Sozialen Plastik ist jeder Mensch ein Künstler. Beuys sprach von 7000 Eichen einmal auch als von einer „Wandernden Architektur“: Würde man die ‘geeigneten Ideenbilder’ damit verbinden, so gingen von ihr Impulse aus, um Konzepte nicht allein zur Erneuerung der Gesellschaft und zur Heilung der Natur, sondern auch zur Rettung der Seelen zu entwickeln... Eine Utopie?

Zurück

„... dass das Vergangene und das Zukünftige in einem Bilde erscheinen.“

Joseph Beuys

„Da entpuppt sich der Träumer als der bessere Realist.“

Joseph Beuys